Bernd Riexinger in Erfurt

Helko Lessiger

Auf seiner Tour durch die neuen Bundesländer besuchte der neue Bundesvorsitzende der Partei „Die Linke“ heute Erfurt.
Am Beginn des Programms stand ein Mittagessen mit verantwortlichen Funktionären des Stadtverbandes der Linken Bürgermeisterin Tamara Thierbach und dem Stadtvorsitzenden Steffen Kachel. Bei Thüringer Klößen, die dem Schwaben Riexinger sehr wohl mundeten, wurden aktuelle Aufgaben und Probleme in Erfurt besprochen. Hauptaugenmerk lag dabei natürlich auf der Arbeit des Stadtverbandes. Aktuell thematisiert wurden die laufenden Verhandlungen mit SPD und Grünen hinsichtlich einer strategischen Zusammenarbeit auf kommunaler Ebene. Besprochen wurde ebenfalls die Wahlergebnisse, welche entscheidenden Einfluss auf die aktuelle und zukünftige Gestaltungsmöglichkeiten linker Politik in Erfurt haben.
Anschließend gab es einen Pressetermin auf dem Petersberg. Interessanterweise scheint das private Kfz des Parteivorsitzenden der Linken für einige Vertreter der schreibenden Zunft handhabbarer zu sein, als konkrete politische Inhalte. Angesichts der von den Linken angesprochenen konkreten gesellschaftlichen Problematiken wie Mindestlohn, Beendigung aller Kriegseinsätze der Bundeswehr, fehlende demokratische Mitbestimmung bei Fiskalpakt und ESM sowie der nicht angegangenen Stärkung der Einnahmeseite von Bund, Freistaat und der Stadt eine zweifelhafte Fokussierung auf Nebensächliches.
Ein wichtiges Anliegen war dem Gast ein Blick auf Erfurt als Technologiezentrum. Anlaufpunkt dafür war die Firma Bosch Solar, wo in Gesprächen erst mit der Geschäftsführung und dann mit dem Betriebsrat zu Fragen der unternehmerischen Tätigkeit und ökologischer Gesichtspunkte Meinungen ausgetauscht wurden. Im Fokus standen dabei die Auswirkung des Auslaufens der Solarförderung in Deutschland auf die strategische Ausrichtung des Unternehmens. Konsens bestand dabei, dass die zielgerichtete Orientierung Deutschlands auf regenerative Energien ein wichtiger Pluspunkt für den Industrie- und Technologiestandort sind. Das bedeutet aber auch, dass nicht die Vergeudung von Potentialen im Niedriglohnsektor, wie aktuell leider Realität, sondern vielmehr die Förderung der vorhanden Kapazitäten in anspruchsvollen Tätigkeitsfeldern zu fairen Gehältern geboten ist. Die herrschende Politik bewegt sich leider auch hier auf einem fatalem Holzweg.
Die angesprochenen Themen fanden dann bei einer sehr gut besuchten Mitgliederversammlung in der Parteizentrale der Linken ausführlich Würdigung. Bernd Riexinger bezog sich hierbei auf seinen Aktionsplan für die ersten 120 Tage. Er betonte dabei, dass der Kampf um praktikable Ansätze, die zuerst den Menschen und nicht allein den Banken und Zockern helfen, gerade erst begonnen hat. Wichtig dabei sei auch eine Vernetzung mit allen gesellschaftlichen Akteuren, die für alternative Lösungen derzeitiger Probleme streiten. Sowohl dem medialen, als auch dem politischen Einheitsbrei der anderen im Bundestag vertretenen Parteien, welcher allein die Kürzung sozialer Errungenschaften als Lösung aller Probleme propagiert, muss schärfstens widersprochen werden. Es kann nicht angehen, dass diejenigen, die am Meisten von den aktuellen Gegebenheiten profitieren, am Wenigsten oder gar nichts zur Überwindung der gesellschaftlichen Probleme beitragen.
Erschreckend sei zudem, dass politische Gestaltungsmöglichkeiten und damit demokratische Strukturen in den letzten Jahren konsequent beschränkt wurden. Weder wurden damit aber die schwierige Lage in Europa, im Bund oder den Kommunen gemildert, geschweige denn auf ein tragfähiges Zukunftskonzept gebracht. Hier gilt es die Stimme zu erheben. Solidarität ist sowohl auf kommunaler als auch auf europäischer Ebene keine Verhandlungsmasse sondern notwendige Struktur und Voraussetzung um ein gesellschaftliches Zusammenleben überhaupt erst möglich zu machen. Es könne nicht sein, dass mit Milliarden von Steuergeldern Zockerbanken aufgepäppelt werden, gleichzeitig aber die Hälfte der Jugend Südeuropas keine Arbeit findet und Mütter ihre Kinder in SOS-Kinderdörfern abgeben müssen, weil sie sie selbst nicht mehr ernähren können. Über diese Realitäten spräche leider keiner der Befürworter von ESM und Kürzungen der Sozialsysteme in Spanien, Portugal und Griechenland.
Vor Allem schlagen diese Probleme früher oder später auch auf Deutschland durch und damit auch auf die Kommunen. Hier müssen nicht erst griechische Verhältnisse hingenommen werden, um zu sehen, dass pauschale Schuldenbremsen ohne Berücksichtigung der wirtschaftlichen Lage nicht funktionieren.
In der folgenden Diskussion wurden sowohl konkrete Ansätze als auch weiterführende Inhalte dazu angerissen. Zusammenfassend war es eine sehr informative Veranstaltung. Der Kurzbesuch hat zumindest von dem Menschen Bernd Riexinger Eindruck hinterlassen. Als einer, der sich des Weges der vor ihm liegt bewusst ist und keine Angst hat, diesen zu beschreiten. Egal wie steinig er sein mag. Dafür verdient er Respekt und die besten Wünsche für die erfolgreiche Umsetzung. Dabei wird es an Unterstützung durch den Erfurter Stadtverband nicht fehlen.