LINKE und Piraten diskutierten mit Bürgern über Wege zu mehr Mitbestimmung


Mehr Mitbestimmung der Bürger sehen LINKE und Piraten als Antwort auf die zunehmende Unzufriedenheit mit der aktuellen Politik. Sebastian Frankenberger (Mehr Demokratie Bayern) verwies auf die Erfolge der direkten Demokratie in seinem Bundesland, wo schon Anfang der 1990er Jahre gute gesetzliche Voraussetzungen für Bürgerbegehren und Bürgerentscheide geschaffen wurden. 50 Prozent der bis heute über 2.000 Bürgerbegehren (Thüringen: 85) wurden initiiert, um Projekte zu stoppen, die die Bürgermeister und kommunalen Parlamente angeschoben hatten, die aber von den Menschen für unsinnig gehalten wurden. In Bayern ist es zudem möglich, dass kommunale Parlamente bestimmte Fragen den Bürgern zur Entscheidung vorlegen, während in Thüringen seitens der Verwaltungen nur unverbindliche repräsentative Befragungen üblich sind. Wie Frank Cebulla (Piraten, Jena) berichtete, hat es viel Kampf und Energie gekostet, um in Jena die Stadträte, aber auch die Bürger für das Projekt eines Bürgerhaushaltes zu sensibilisieren. Aktuell gelingt es, etwa 16 Prozent der stimmberechtigten Jenaer in die Diskussion zum städtischen Haushalt einzubeziehen - eine Quote, die sonst nur in Deutschland nur selten erreicht wird. Cebulla betonte, dass die Rechenschaftslegung über das Schicksal der jeweils von den Bürgern gemachten Änderungsvorschläge entscheidend ist, damit das Projekt Bürgerhaushalt von den Beteiligten tatsächlich als Form der Mitbestimmung erlebt wird.


Der Thüringer Mehr-Demokratie-Sprecher Ralf-Uwe Beck verwies sodann auf die in Thüringen erreichten Erfolge zur Senkung der Hürden für Volks- und Bürgerbegehren. Aktuell besteht das größte Hindernis darin, dass Volksbegehren auf Landesebene dann ausgeschlossen werden, wenn sie finanzielle Folgen haben. Diese Situation sei paradox angesichts dessen, dass die Bürger die Politiker beauftragen, und auch die Steuern zahlten, so Beck unter großer Zustimmung, und sollte bald geändert werden.
Josef Ahlke vom Erfurter Stadtentwicklungsamt berichtete von den Bemühungen auch der Erfurter Stadtverwaltung, einen Bürgerhaushalt zu gestalten. Angebote von Mitbestimmungsmöglichkeiten müssten konkret genug und so vermittelt sein, dass sie die Menschen auch tatsächlich erreichen, so sein Fazit. Trotz einiger Fortschritte, zum Beispiel bei der Gestaltung der Broschüren, sei hier aber noch viel Arbeit zu leisten. Letztlich komme es auf das Engagement der Bürger selbst an.


Michael Menzel, OB-Kandidat der LINKEN, bewertete die Einbeziehung der Bürger in die Erfurter Kommunalpolitik sehr kritisch. Die Ressourcen für das Projekt Bürgerhaushalt seien gering, vor allem aber fehle der politische Wille, die Bürger bei wichtigen Entscheidungen, die für viele Jahre Rückwirkungen haben, zu beteiligen. Stuttgart habe gezeigt, dass heute die Einbeziehung der Bürger in die Entscheidung über Großprojekte auf der Tagesordnung stehe. Angesichts dessen sei es notwendig, dass OB und Stadtrat die Bürger über eine Erfurter Multifunktionsarena selbst entscheiden lassen, so Menzel.


An der sehr lebhaften Diskussion im Bürgersaal des Hauses Dacheröden nahmen etwa 60 Bürger teil.